Page 6 - Jahrbuch 2019
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Beiträge aus Forschung und Lehre am Fachbereich







          Internationalisierung

          Andreas Langenohl









          Gesellschaften der Gegenwart sind      Zugleich ist zu sehen, dass Internationa-  große Vorteile, die über den ‚richtigen‘
          in vielerlei Hinsicht wesentlich stärker   lisierung eine Ressource ist, die überaus   Pass und relative ökonomische Satu-
          international institutionalisiert und   ungleich verteilt ist. Die Europasozio-  riertheit verfügen.
          orientiert, als es in der Vergangen-   logie hat verschiedene Formen eines    Die Wissenschaft selbst ist innerhalb
          heit der Fall war. Ungeachtet jüngster   „sozialen Transnationalismus“ (Steffen   dieser internationalen Konstellation,
          Friktionen in der Europäischen Union   Mau) beschrieben, der von innereuro-   die die Gesellschaften im globalen
          ist diese doch nach wie vor als das am   päischer Arbeitsmigration über Ehe-  Norden und Westen besserstellt als
          stärksten vom nationalen Ordnungs-     schließungen und gemeinsamen Besitz    diejenigen im globalen Süden, noch-
          rahmen Abstand gewinnende politische   bis hin zu Freundschaften oder auch nur   mals privilegiert. Die Mobilität von
          Gebilde der Moderne anzusehen. Und     der Kenntnisnahme der Presseberichts-  WissenschaftlerInnen und Studierenden
          gegen stark angewachsene politische    erstattung in anderen europäischen     gehört zu denjenigen internationalen
          Tendenzen, den nationalen Rahmen       Ländern reicht. Natürlich ist hier auch   Tätigkeiten, die von der öffentlichen
          wieder aufzuwerten – sei es in Form    der Tourismus zu nennen: „Malle für    Hand mit den höchsten Summen ge-
          wirtschaftspolitischer, sozialer oder   alle“, so bewirbt derzeit eine britische   fördert werden. Es gibt mittlerweile eine
          kultureller Abschottungsversuche, die   Billigf uggesellschaft ihre Urlaubsf üge   kaum noch überschaubare Förderland-
          derzeit weltweit zu beobachten sind    von deutschen Flughäfen auf die Balea-  schaft zur Finanzierung internationaler
          – formieren sich wirtschaftliche, gesell-  reninsel. Aber die meisten dieser For-  Studien- und Forschungsaufenthalte,
          schaftliche und politische Widerstän-  men eines sozialen Transnationalismus   Konferenzbesuche, Sprachkurse, Kon-
          de. Auch die Wissenschaft stellt sich   wären undenkbar, oder zumindest stark   taktanbahnungsreisen sowie bei der
          größtenteils hinter dieses Eintreten für   erschwert, ohne die Institutionalisierung   Einrichtung internationaler Forschungs-
          eine, mit Karl Popper gesprochen, of-  eines weitgehend ohne Grenzkontrollen   zentren und Qualif zierungsprogramme.
          fene Gesellschaft, die sich eine Selbst-  und Mobilitätsbarrieren auskommenden   Aus dieser Privilegierung erwächst der
          beschränkung auf vorgeblich ‚eigene‘   europäischen Binnenraums, dem eine     Wissenschaft, und der Universität als
          Deutungstraditionen, Ressourcen und    zunehmende Verhärtung und Polizie-     ihrer Kerninstitution, eine besondere
          Orientierungsrahmen nicht leisten kann.   rung der europäischen Außengrenzen   Verantwortung. Worin besteht diese
          Selbst unter Bedingungen ihrer Heraus-  gegenübersteht. Dieser Transnationalis-  Verantwortung? Und wie könnte eine
          forderung bleibt Internationalisierung   mus ist somit etwas vollkommen ande-  wissenschaftliche und universitäre Inter-
          daher ein Projekt, das sich auf starke   res als derjenige der teils verzweifelten   nationalisierungsstrategie aussehen, die
          politische, wirtschaftliche, gesellschaft-  Versuche von Gef üchteten, in Europa   sie annimmt?
          liche und natürlich wissenschaftliche   Zuf ucht zu f nden. Und auch jenseits   Ein weites Feld – und zugleich eines,
          Unterstützung gründen kann.            der Grenzen Europas haben diejenigen   dass sich am Fachbereich 03 Sozial- und

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