Page 7 - Jahrbuch 2019
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Kulturwissenschaften mit besonderer in Rechnung gestellt werden – denn Eine besondere Herausforderung bildet
Dringlichkeit stellt. Denn die hier ver- Wissenschaft ist, wie Bildung auch, ein die studentische Mobilität, selbst inner-
sammelten Fächer eint ein analytischer international überaus unterschiedlich halb eines zumindest formal harmo-
Zugang zur Welt, der diese Welt als im- institutionalisiertes Praxisfeld. nisierten institutionellen Rahmens wie
mer schon interpretierte und gedeutete Es ist daher nicht hilfreich, akademische demjenigen der EU („Bologna“). Die
Welt ansieht. Es werden Deutungen der Internationalisierung (oder ihr Scheitern) Formel lautet hierbei häuf g: Stan-
Welt erforscht, weil diese Deutungen es vorschnell mit interkulturellem Lernen dardisierung der internationalen An-
sind, die Handeln orientieren, Interes- und Horizonterweiterung (oder umge- erkennung von Studienleistungen +
sen informieren und Weltsichten erzeu- kehrt kulturellen Differenzen und Lern- Erfahrung kultureller Andersartigkeit
gen. Daraus folgt, dass den Interpreta- blockaden) in Verbindung zu bringen, = internationaler Bildungs- und Qua-
tionen und Deutungen anderer – eben ohne die Bedeutung der Unterschiede lif zierungserfolg. Sie greift zu kurz.
auch: anderer WissenschaftlerInnen, in den akademischen Institutionen in Wie die zahlreichen Studierenden und
Studierender und zunehmend auch ad- Betracht zu ziehen. Ein simples Beispiel: KoordinatorInnen im internationalen
ministrativ Tätiger – ein hohes Gewicht Die Mittel, über die eine Universität Austausch unseres Fachbereich wissen,
zukommt, das in kunst- und musikwis- verfügen kann, stammen in den USA äußerst sich die Gemengelage, auf die
senschaftlichen und -pädagogischen, oftmals aus privaten Stiftungen und Austauschstudierende treffen, in einer
politikwissenschaftlichen, erziehungs- privat gezahlten Studiengebühren; in Vielzahl von oft widersprüchlich anmu-
wissenschaftlichen und soziologischen Deutschland in der Regel aus Studieren- tenden Begegnungen mit Kommiliton-
Analysen Berücksichtigung f nden muss. denzahlen, die durch die Bundesländer Innen, Lehrenden, administrativ Tätigen,
In einem solchen Kontext stellt sich bei der Mittelvergabe auf Zuf üsse proji- Behörden, Gastfamilien und anderen,
Internationalisierung daher in erster ziert werden, sowie aus eingeworbenen in denen häuf g alles andere als klar ist,
Linie als eine Herausforderung dar, aus Drittmitteln; und in Südafrika und Polen ‚was hier vorgeht‘ (Erving Goffman). Die
der sich spezif sche Übersetzungsnot- aus der Zahl von Artikeln, die Wissen- so gestellten Aufgaben zu bewältigen
wendigkeiten ergeben, die nicht nur schaftlerInnen in bestimmten Fachzeit- erfordert teilweise titanische Aufgaben
sprachlicher oder kultureller, sondern schriften publizieren und die die Zu- in der Kommunikation mit einer Viel-
häuf g auch (wissenschafts-)politischer weisung öffentlicher Mittel bestimmen. zahl von AkteurInnen nicht nur ‚über
Natur sind. Bei der Verwirklichung tat- Wie sollte man nicht erwarten, dass sich nationale Grenzen‘ hinweg, sondern in
sächlich tiefreichender akademischer aus derart unterschiedlichen Finanzie- einem weitaus komplexeren Sammel-
Kooperationen müssen in erster Linie rungssystemen Konsequenzen für eine surium von Rollenzuschreibungen. Hier
die unterschiedlichen Logiken und Stile effektive internationale Zusammenarbeit geht es nicht nur um Perfektion in der
der beteiligten Wissenschaftssysteme ergeben? Prüfungsverwaltung und interkultu-
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