Page 8 - Jahrbuch 2019
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Beiträge aus Forschung und Lehre am Fachbereich
relle Kompetenz – manchmal geht es Terrain. Aber zugleich tritt damit auch Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit und
um nichts weniger als um die höchst die Chance in den Raum, das Projekt Willen zur politischen Tätigkeit, auf dem
anspruchsvolle Aufgabe der kommuni- der Internationalisierung in einer wirk- die Demokratie beruht, resultieren. Um
kativen Bearbeitung von institutionel- lich umfassenden Weise in den Blick zu ein Wort des Anthropologen Arjun Ap-
len, kulturellen, gesellschaftlichen und nehmen: einer Weise, die dieses Projekt padurai aufzugreifen: Viele Studierende
politischen Widersprüchen, die die Be- als Wagnis deutlich macht und zugleich besitzen und erkunden eine ‚Fähig-
teiligten selbst nicht die Macht haben den Kontext liefert, innerhalb dessen keit zur Navigation‘, deren Effektivität
aufzulösen. die Fähigkeit, mit diesem Wagnis umzu- sich nicht notwendigerweise in einer
Vielleicht liegt hier der Schlüssel zum gehen, kultiviert werden könnte. ebenso nahtlosen wie planbaren Kette
Verständnis der besonderen Verant- Um bei den Studierenden zu bleiben: von Studienerfolgen zeigt. Ein längerer
wortung, die der Wissenschaft und Ihre Heterogenität, nicht zuletzt an Studienaufenthalt im Ausland fügt hier
der Universität aus ihrer Privilegierung, unserem Fachbereich wie auch an den sicherlich eine Erfahrungsdimension
wenn es um Internationalisierung geht, Partnereinrichtungen im Ausland, bildet hinzu. Aber wir wären kurzsichtig, wenn
erwächst. Wissenschaft f ndet nicht das Substrat einer solchen Kultivierung. wir diese umfassende Kultivierung einer
immer das heraus, was sie herauszu- Nicht alle, aber einige, haben bereits Navigationsfähigkeit, wie sie oft bereits
f nden angetreten ist – sonst wäre sie ausgedehnte ‚internationale Erfahrun- vor einem solchen Aufenthalt besteht,
Verwaltung, nicht Wissenschaft. Studie- gen‘ – und dies sind manchmal Erfah- unterschätzten. Wir sollten verstärkt
ren involviert die Möglichkeit, nicht alle rungen, die nicht jedeR würde machen daran arbeiten, diese genuinen Erfah-
intellektuellen Aufgaben gleichermaßen wollen, haben sie doch häuf g mit rungen zu einem Pfeiler universitärer
zu bestehen – sonst wäre es die Wahr- Flucht und Diskriminierung zu tun. Viele Internationalisierung zu machen.
nehmung rechtmäßiger Ansprüche auf haben sich, als Erststudierende in ihren Wie internationalisiert man eine Einrich-
institutionalisiertes kulturelles Kapital, Herkunftsfamilien, durch das Dickicht tung, die ihrem Ursprung nach inter-
nicht Studieren. In der internationalen von Hochschulsystemen geschlagen, national ist? Universitäten in Europa
Kooperation steigern sich diese Risiken, haben Solidarität mit anderen Studie- bilden historisch, und im Wortsinn, eine
aus den besagten Gründen. Dies macht renden und Nicht-Studierenden aus internationale Institution. So wurden die
vielleicht mehr als alles andere den au- unterschiedlichsten Lagen praktiziert studentischen Gruppen an den mittel-
ßerordentlichen Grad an Privilegierung und Stellung zu (hochschul-)politischen alterlichen Universitäten nach ihrer
deutlich, den die Wissenschaft genießt Vorgängen bezogen. Viele kennen die geograf schen Herkunft und Sprachge-
– denn sie kann, wenn sie sich selbst Komplikationen, die aus dem Versuch brauch als nationes bezeichnet – die
ernst nimmt, nichts versprechen außer der Vereinbarung von Studium, Wahr- Universität war also schon sehr früh ein
mehr Klarheit, auch auf internationalem nehmung familialer Verantwortungen, Lokal International. Eine Erinnerung an
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