Page 23 - Jahrbuch 2019
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meist kaum etwas über die sozialen und
ökonomischen Hintergründe der Arbei-
terinnen, über ihre kulturellen Wertvor-
stellungen, über regionale Unter-
schiede etc. Maßnahmen zur
Personalstabilisierung beschränken sich Foto: Michaela Fink ©
bislang vor allem auf die Verbesserung
der Arbeitsbedingungen in den Fabri- hören sie auf? Warum kommen sie nicht Wohnbedingungen eine Stabilität
ken und auf die Etablierung ökonomi- regelmäßig? Woher kommen sie? Aus schaffen?
scher Anreize, etwa durch leistungsbe- welchen Verhältnissen brechen sie auf? Wie gehen die Arbeiterinnen mit dem
zogene Boni-Zahlungen. Welche ethnischen und sozio-ökonomi- beschleunigten Industrialisierungspro-
schen Rahmenbedingungen gelten für zess um? Welche Herausforderungen
Begleitforschung durch die JLU in sie? Wie sind die Familienverhältnisse? stellen sich ihnen beim Übergang von
Kooperation mit der Universität Was machen sie mit ihrem Einkommen einem agrarisch geprägten zu einem
Hawassa (f nanzieren sie die Familie, Kinder, industrialisierten Lebensumfeld? Wel-
Um das Phänomen der massiven Perso- Konsumgüter, eine Weiterbildung, ein che »life-skills« und welche Arbeitsethik
nalf uktuation und der Abwesenheit der Studium)? Welche Maßnahmen würden brauchen sie für die Arbeit in der Textil-
Arbeiterinnen zu eruieren, haben wir sie veranlassen, regelmäßig anwesend industrie? Bzw. welche an die Landwirt-
eine dreijährige Begleitforschung beim zu sein? Sind eher oder eher physische schaft angepassten »life skills« sind für
Bundesministerium für wirtschaftliche Gründe für das Fernbleiben verant- sie im Umfeld der Fabrik hinderlich?
Zusammenarbeit und Entwicklung wortlich (Stress, Erschöpfung)? Ist die
(BMZ) beantragt. Antragsteller sind Vereinbarkeit von Familie und Arbeit Die Forschungsergebnisse können über
Prof. Reimer Gronemeyer (IfS, JLU), ein Thema (mangelt es an Kinderbe- die Arbeit der deutschen Entwicklungs-
Prof. Ingrid Miethe (IfE, JLU), Prof. treuung)? Sind andere Prioritätenset- zusammenarbeit (GIZ) direkt in die
Tesfaye Semela Kukem (Universität zungen die Ursache des Fernbleibens? Beratung von Betrieben und Ausbil-
Hawassa). Betrachten sie den Arbeitsplatz von dungs-, Trainings- und Rekrutierungs-
Im Rahmen der geplanten Forschung vornherein als vorübergehend (bspw. institutionen eingespeist werden.
sind insbesondere die Interessen und vor der Gründung einer eigenen Fami-
Motivationslagen der Arbeiterinnen zu lie, oder der Vorbereitung der Über-
analysieren: Welche Erwartungen ver- siedlung in die Stadt)? Würde mehr
binden sie mit der Lohnarbeit? Warum Lohn oder würden andere Arbeits- und
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