Page 14 - Jahrbuch 2019
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Beiträge aus Forschung und Lehre am Fachbereich
Globalisierung der politischen Bildung?
Anka Bruns-Junker
Die Ziele des Fachunterrichts politi- Ungleichheit, ökologische Herausfor- Lernenden durchzieht und sie sich auch
scher Bildung lassen sich unter dem derungen, wie der Klimawandel und auf gesellschaftlich-kultureller Ebene
Begriff der politischen Mündigkeit gesellschaftliche Herausforderungen, vollzieht, erhält die Frage der normati-
zusammenfassen. „Politikdidaktische wie Fragen des Zusammenlebens in ven Orientierung politischer Bildung im
Fragen werden in der Regel [jedoch] kultureller Vielfalt, können nicht mehr politikdidaktischen Diskurs auch kon-
noch immer auf den nationalstaatlichen allein innerhalb eines Nationalstaates zeptuell neue Wichtigkeit. Die zugrunde
Kontext bezogen“ (Nonnenmacher; bearbeitet werden, sondern erfordern gelegte Wertorientierung prägt unsere
Widmaier 2011, 5). So sollen Lernende die Zusammenarbeit verschiedenster Perspektive auf die Welt und berührt
in Deutschland zur verantwortungsvol- internationaler, staatlicher und nicht- damit auch unsere (nationale) Identitäts-
len Teilhabe als Bürgerinnen und Bürger staatlicher Akteure. Politische Bildung bildung.
an der demokratischen Öffentlichkeit kann diese Herausforderungen nicht Dies leitet zu einem letzten zentralen
befähigt werden, womit primär auf den als eine Art Feuerwehr bewältigen und konzeptuellen Punkt über den die
nationalstaatlichen Kontext referiert trotzdem bleibt sie, sowohl inhaltlich, Politikdidaktik (im Zuge der Interna-
wird. Diese weitgehende Begrenzung konzeptuell, als auch strukturell, von tionalisierung neu) nachdenken soll-
der Bezugnahme auf den nationalstaat- der Vernetzung der Welt und den sich te: die begriff iche Eingrenzung und
lichen Rahmen Deutschland spiegelt daraus (neu) ergebenden Herausforde- inhaltliche Füllung des Verständnisses
sich in zahlreichen politikdidaktischen rungen keineswegs unberührt. von Bürgerschaftlichkeit. Die Adres-
Publikationen, Schulbüchern, aber auch Ansätze, wie politische Bildung in glo- sierung von Staatsbürgerinnen und
den Kerncurricula der Bundesländer baler oder supranationaler Perspektive Staatsbürgern wird in dem Diskurs der
(vgl. Overwien 2018, 97-100). Das The- (neu) zu denken ist, f nden sich bisher politischen Bildung zum Teil durchaus
menfeld der Globalisierung erscheint wenige (u.a. bei Sander 2011 und 2018, in Frage gestellt, der Weltbürger bzw.
hier lediglich als Additum, welches „die Eis 2010). Wolfgang Sander führt in die Weltbürgerin als neues Leitbild für
zuvor dominant aus nationaler Pers- seinen Überlegungen (2011, 426-428) die Weltgesellschaft gefordert (vgl. z.B.
pektive behandelten Themenbereiche“ zur Begründung der Beschäftigung mit Juchler 2010). Diese Vorstellung verfol-
ergänzt (Sander 2011, 425). Gleichzeitig globalen Fragen in der politischen Bil- gen auch immer häuf ger internationale
hat die weltweite Vernetzung und Inter- dung beispielsweise an, dass die trans- Bildungsakteure und füllen den Begriff
dependenz in den letzten Jahrzehnten nationale Perspektive bei der inhalt- nach eigenen Vorstellungen. Die OECD
neue Formen angenommen. Viele lichen Auswahl und Strukturierung von beispielsweise plant die Messung der
politische Herausforderungen, wie die Lerngegenständen systematisch einbe- Global Competency (vgl. OECD 2016),
Ressourcenverknappung, ökonomische zogen werden muss. Dadurch, dass die die UNESCO hat einen detaillierten
Herausforderungen, wie die globale Globalisierung alle Lebensbereiche der Ansatz zur Global Citizenship Education
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